S.Lammich
Bekmpfung der Organisierten Kriminalitt in Deutschland. Massnahmen zur Abschpfung des kriminell erlangten Gewinns.
1. In den seit Anfang der 90 iger Jahre verffentlichten Berichten ber den Stand der Organisierten Kriminalitt in Deutschland, stellt das deutsche Bundeskriminalamt regelmig fest, da der Erfolg bei der Bekmpfung der Organisierten Kriminalitt entscheidend auch davon abhngt, inwieweit es gelingt, den kriminellen Organisationen die kriminell erlangten Gewinne zu entziehen und deren Gewinnerwartung zu reduzieren. Die Abschpfung des kriminell erlangten Gewinns ist vor allem auch deswegen wichtig, weil die Gefhrlichkeit der Organisierten Kriminalitt fr den Rechtsstaat nicht nur in den kriminellen Handlungen als solchen gesehen werden kann. Diese Gefhrlichkeit ergibt sich auch aus der Mglichkeit der organisierten Kriminellen, mit Hilfe des von ihnen kriminell erlangten Kapitals Einflu auf gesellschaftliche Entscheidungsprozesse zu nehmen, die sich einer demokratischen Kontrolle entziehen.
Des weiteren wird in den obengenannten Berichten des Bundeskriminalamtes hervorgehoben, da fr eine wirksamere Bek mpfung der Organisierten Kriminalitt es erforderlich sei, gezielter gegen die Hintermnner und Drahtzieher sowie gegen die von den Organisatoren geschaffenen Logistikstrukturen vorzugehen, so insbesondere auch durch die verstrkte aktive Informationsbeschaffung durch die Polizei (Einsatz verdeckter operativer Ermittlungsmanahmen).
Der deutsche Gesetzgeber reagierte darauf bereits 1992 durch den Erla des Gesetzes "Zur Bekmpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinngsformen der Organisierten Kriminalitt" vom 15 Juli 1992. Die durch dieses Gesetz sowohl im materiellen Strafrecht wie auch im Strafprozerecht vorgenommenen nderungen waren, hnlich wie die beiden spteren im Strafgesetzbuch und in der Strafprozeordnung in Zusammenhang mit der Organisierten Kriminalitt vorgenommenen nderungen von 1994 und 1998 vor allem darauf gerichtet, dem Staat den Zugriff auf das Vermgen der Straftter zu erleichtern sowie ferner darauf, einen rechtstaatlich unbedenklichen gesetzlichen Rahmen fr die Anwendung verdeckter, die Grundrechte der Brger ber hrenden operativen Ermittlungsmanahmen zu schaffen.
2. Bei den im deutschen Straf- und Strafprozerecht in Zusammenhang mit der Bekmpfung der Organisierten Kriminalitt seit 1992 vorgesehenen Manahmen, handelt es sich um folgende:
a) die Vermgensstrafe (§ 43a StGB), die dem Ziel dienen soll, den in kriminellen Organisationen oder im Rauschgiftbereich t tigen Strafttern mit einem noch dem Schuldprinzip gengenden Zugriff auf ihr Vermgen, die finanziellen Mittel fr weitere kriminelle Aktivitten, insbesondere fr den Erhalt, den Ausbau oder den Neuaufbau einer auf kriminellen Erwerb gerichteten Organisation zu entziehen. Es handelt sich bei dieser Sanktion sowohl um eine Manahme zur Abschpfung des kriminell erlangten Gewinns wie auch um eine Manahme zu Bestrafung des Tters*.
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* Vgl.Schonke, Schrder, Strafgesetzbuch, Kommentar, 25. Auflage, Munchen. - 1997. - S.624 ff.
Voraussetzung der Verurteilung zu einer Vermgensstrafe ist, da diese bei dem konkreten Straftatbestand ausdrcklich angedroht wird, was bei Straftatbestnden der Fall ist, die blicherweise im Rahmen der Organisierten Kriminalitt begangen werden, wie Rauschgifthandel, Geldflschung, Waffenhandel, Menschenhandel usw. Eine weitere Voraussetzung ist, da diese Strafe nur neben einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verhngt werden kann.
Die Vermgensstrafe kann bis zu einer Hhe verhngt werden, die durch den Wert des Vermgens des Tters bestimmt wird. Schpft das Gericht diesen Rahmen aus, so kommt dies einer Konfiskation des Vermgens gleich.
Im deutschen Schrifttum wird an der Vermgensstrafe scharfe Kritik gebt. Die dabei geuerten Bedenken gehen dahin, da mit Hilfe dieser Sanktion eine nach der Verfassung unzulssige Konfiskation rechtmig oder nicht nachweisbar erlangten Verm gens angestrebt wird. Vom Bundesgerichtshof wird der darin enthaltene Vorwurf der Verfassungswidrigkeit dieser Sanktion allerdings nicht geteilt, wobei der Bundesgerichtshof allerdings hervorhebt, da es sich bei dieser Sanktion nicht um eine Manahme der Gewinnabschpfung sondern um eine sich an der Schuld des Tters orientierende Manahme handelt. Grund und Grenze fr die Bemessung der Vermgensstrafe ist demgem nicht die Hhe des Ttervermgens, sondern das Ma des von ihm begangenen Unrechts und damit seiner individuellen Schuld. Auf scharfe Kritik stt auch die Unbestimmtheit der entsprechenden Vorschrift des § 43a, die etwa in dem Fehlen formulierter Kriterien zum Ausdruck kommt, wie die Hhe der Vermgensstrafe "schuldangemen" festgelegt werden soll. Im Ergebnis der an dieser Sanktion gebten Kritik, kommt ein groer Teil der deutschen Strafrechtswissenschaftler zu dem Ergebnis, da die Vermgensstrafe "ein Fremdkrper im deutschen Strafsystem" und ein "miglcktes Rechtsinstitut" darstellt, da wieder abgeschafft werden sollte*. In der Praxis hat diese Sanktion bisher auch keine grere Bedeutung erlangt**.
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* Vgl. Schnke, Schrder a.a. O., S. 624 ff; H.H.Jeschek, Th.Weigend, Lehrbuch des Strafrechts. Allgemeiner Teil, 5. Aufl. Berlin. - 1996. - S.778 ff.
** Vgl. M.Thiele, Prventiver Kapitalentzug, Kriminalistik, Heft 8. - 1999. - S.506 ff.
b) Ein weiteres 1992 in das Strafgesetzbuch neu eingefhrte Institut, das darauf gerichtet ist, dem organisierten Verbrechertum den kriminellen Gewinn zu entziehen, ist der erweiterte Verfall (§ 73 d StGB), der bei denselben Straftaten wie auch die Vermgensstrafe angeordnet werden kann. Mit der Einfhrung dieses neuen Rechtsinstituts sollte die Mglichkeit zur Abschpfung von (vermutlich) durch eine Straftat erworbenes Vermgen in einer Situation geschaffen werden, da bei dem Tter der wegen einer gewhnlich der Organisierten Kriminalitt zuzurechnenden Straftat verurteilt worden ist, Vermgensstnde (insbesondere Bargeld oder Bankkonten) gefunden werden, fr deren Herkunft es angesichts des geringen Ausmaes seiner legalen Einknfte die Annahme aufdrngt, da sie aus Straftaten stammen.
Der erweiterte Verfall betrifft Gegenstnde (Vermgen) des Tters oder des Teilnehmers, bei denen die Umstnde die Annahme rechtfertigen, da sie "fr rechtswidrige Taten oder aus einer rechtswidrigen Tat erlangt worden sind". Anders als bei dem im deutschen StGB vorgesehenen einfachen Verfall (§ 73 ff. StGB) kann der erweiterte Verfall bereits schon dann zum Zuge kommen, wenn noch nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, da eine Sache (unmittelbar oder mittelbar) aus einer Straftat stammt; es gengt lediglich, da "die Umstnde" die Annahme rechtfertigen, da dies der Fall ist. Dem Verfall unterliegen alle sich im Besitz des Verurteilten befindlichen Gegenstnde und Werte, die "vermutlich" aus irgendeiner Straftat und nicht nur der, wegen der der Tter im konkreten Fall verurteilt wird,erworben worden ist.
Ebenfalls wie die Vermgensstrafe hat auch der erweiterte Verfall in der deutschen Strafpraxis keine grere Bedeutung erlangt. Ebenfalls gemeinsam fr diese beiden Manahmen ist die verbreitete Kritik an ihnen, einer Kritik in der auch die Verfassungsm igkeit dieser Rechtsinstitute in Frage gestellt wird. Das Rechtsinstitut des erweiterten Verfalls verstt, so deren Kritiker, gegen mehrere Prinzipien der Strafprozeordnung, die auch mit deren Ziel, die Organisierte Kriminalitt zu bekmpfen, nicht gerechtfertigt werden kann.
c) Gegen das Vermgen der organisierten Kriminellen richtet sich auch der 1992 im Strafgesetzbuch formulierte Straftatbestand der Geldwsche (§ 261 StGB), d.h. der Einschleusung von kriminell erworbenen Vermgenswerten in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf zum Zwecke der Tarnung. Allerdings auch diese 1992 eingefhrte strafrechtliche Neuerung hat die an sie gekn pfte Hoffnung nach der von den deutschen Praktikern und Theoretikern fast einmtig vertretenen Meinung bei weitem nicht erfllt. Auch nach der durch die StGB-Novelle von 1994 erfolgten Ausweitung dieses Straftatbestandes erfolgte diesbezglich keine wesentliche Besserung. Eine weitere Ausweitung dieses Straftatbestandes erfolgte 1998. Die hier erwhnten Ausweitungen des Straftatbestandes beruhten darin, da die Zahl der sogenannten Vortaten ausgeweitet worden ist; anders als nach russischen Strafrecht kann die "Geldwsche" in Deutschland nur dann strafrechtlich verfolgt werden, wenn die Wertgegenstnde, die in den legalen Finanz- und Wirtschaftsverkehr eingefhrt werden sollen, aus einer Straftat (sogenannte Vortat) stammen, die im Strafgesetzbuch in Zusammenhang mit der Geldwsche ausdrcklich genannt wird, was in der Praxis nachzuweisen, oft un berwindbare Schwierigkeiten bereitet.
d) Von den auf die Abschpfung des kriminell erworbenen Gewinns seit 1992 in der Strafprozeordnung vorgesehenen Rechtsinstituten sei hier die in § 111 StPO vorgesehene Beschlagnahme des Vermgens des Beschuldigten zu nennen, deren Ziel es ist, den Vollzug einer zu erwartenden Vermgensstrafe (die wie bereits erwhnt nur bei bestimmten der Organisierten Kriminalit t gewhnlich zuzurechnenden Straftatbestnden verhngt werden kann) zu sichern. Die Beschlagnahme kann sich auf das ganze, oder auch nur auf ein Teil des Vermgens des Beschuldigten erstrecken, wenn unter Bercksichtigung der Hhe der zu erwartenden Vermgensstrafe, der beschlagnahmte Teil des Vermgens dafr ausreicht die Vermgensstrafe zu vollstrecken. Seit Reform dieses Instituts durch die StPO-Novelle von 1998, kann diese Manahme nicht nur wie bisher "bei dringenden Verdacht" einer Straftat, bei denen die Vermgensstrafe angedroht ist, sondern bereits schon bei dem "einfachen Verdacht" einer solchen Straftat angewandt werden.
3. In den deutschen Fachkreisen besteht weitgehende Einigkeit darber, da alle der obengenannten straf- und strafprozessuellen Mglichkeiten, dem organisierten Verbrechertum das kriminell erlangte Vermgen zu entziehen, weitgehend wirkungslos geblieben sind und auch in der Zukunft der Zugriff des Staates auf das Vermgen der organisierten Kriminellen, trotz der Modifizierung der obengenannten rechtlichen Manahmen-zuletzt durch die Novellierung des Strafgesetzbuches und der Strafprozeordnung vom Mai 1998, in der Praxis sehr schwierig sein wird*. Es gab deswegen in den entsprechenden deutschen Fachkreisen verschiedene berlegungen, wie man diesen Stand ndern kann. Zeitweilig in der diesbezglichen Diskussion stand die Problematik der Beweisumkehr bei deren Einfhrung nicht der Staat beweisen mte, da ein bestimmtes Vermgen kriminell erworben worden ist, sondern der Tter durch die Offenlegung der Herkunft dieses Vermgens nachweisen mte, da dies nicht der Fall ist. In Ruland hat dieser Gedanke bekanntlich in dem Ende 1995 von der Staatsduma und vom Fderationsrat beschlossenen, vom Staatsprsidenten allerdings nicht unterzeichneten (und deswegen nicht in Kraft getretenen) Gesetz "ber die Bekmpfung der Organisierten Kriminalitt" einen Niederschlag gefunden (administrativer Arrest). Inzwischen hat auch unter den magebenden deutschen Politikern die Auffassung berhand gewonnen, da eine solche Lsung gegen das verfassungsmige Prinzip der Unschuldvermutung verstoen wrde (die strittige Frage bezog sich darauf, ob sich das Prinzip der Unschuldvermutung nur auf den Tter oder auch auf sein Vermgen erstreckt).
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* Vgl. Thiele.(Anm.3); J.Mayer, W.Hetzer, Die Ahschpfung vоп Verbrechensgewinnen. Rеchtliche und praktische Probleme bei der Bek mpfung der Organisierten Kriminalitt, Kriminalistik, Heft 1. -1997. - S.31 ff.
Um dennoch den Zugriff des Staates auf das kriminell erworbene Vermgen zu erleichtern, griff der deutsche Gesetzgeber 1998 zu folgender Lsung: durch eine entsprechende Дnderung des Art. 10 Abs. 2 des Geldwschegesetzes (Gesetz "ber das Aufspren von Gewinnen aus schweren Straftaten - Geldwschegesetz" vom 25. 10. 1993, wurden die Strafverfolgungsbehrden verpflichtet, bereits bei Erffnung eines Strafverfahrens wegen Verdachts der Geldwsche die entsprechenden Steuerbehrden darber, zusammen mit der Mitteilung der diesem Strafverfahren zugrundeliegenden Tatsachen in Kenntnis zu setzen. Nach dem bis zu dieser Zeit geltendem Recht durften sie dies erst nach einer rechtskrftigen Verurteilung tun. Das Erfordernis einer rechtskrftigen Verurteilung (die vor allem bei Wirtschaftsstraftaten erst mehrere Jahre nach Einleitung des Strafverfahrens zu erlangen ist) hatte de facto zu Folge, da steuerrechtliche Konsequenzen kaum gezogen werden konnten, da die meisten fr das Besteuerungsverfahren relevanten Fakten nur schwer nachweisbar sind, der Steueranspruch in vielen Fllen nicht mehr vollstreckt werden kann, da der Steuerschuldner sein Vermgen (etwa durch Verlegung ins Ausland) der Besteuerung entzogen hat oder der Steueranspruch bereits verjhrt ist.
Anders als im Strafverfahren, ist im Steuerverfahren der Betroffene verpflichtet, der Steuerbehrde die Quellen, aus denen sein Vermgen stammt, offenzulegen. Eine solche Pflicht, die alle Steuerpflichtige umfat, wird allgemein (anders als die Beweisumkehr im Strafverfahren) als verfassungskonform angesehen. Zwar kann der Steuerpflichtige eine Auskunft ber die Herkunft seins Verm gens verweigern. Dies geht jedoch zu seinen Lasten, da in einem solchen Fall die Steuerbehrde berechtigt ist, die Hhe der Steuerschuld zu schtzen, und entsprechend dieser Schtzung eine Steuerschuld von bis zu 50 Prozent des in Frage kommenden Vermgens festzusetzen. Die von den Strafverfolgungsbehrden den Steuerbehrden bermittelten Informationen und Materialien drfen seit dem Gesetz von 1998 auch fr Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung sowie im Besteuerungsverfahren verwertet werden und die auf Grund des Geldwschegesetzes erfolgten Verdachtsanzeigen der Banken und anderer entsprechender Institutionen, knnen nun auch fr die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens dienen (bisher war dies nur mglich, wenn dabei eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahre zu erwarten gewesen ist).
4. Die zunehmende Gefahr, die von der Organisierten Kriminalitt ausgeht, wird allgemein auch in Deutschland erkannt, auch wenn man sich, wegen des Fehlens einer gesetzlichen Definition dieses Begriffs, nicht immer darber einig ist, was man unter "Organisierte Kriminalit t" versteht. Die Diskussionen darber betreffen allerdings nur einige Nuancen und haben eher einen theoretischen Charakter.
Der deutsche Gesetzgeber aber auch die deutsche Rechtsprechung reagiert auf die Entwicklung der Organisierten Kriminalitt und deren sich stndig wandelnde Erscheinungsformen mit nichtorthodoxen d.h. zur Bekmpfung der "einfachen" Kriminalitt in der Regel nicht herangezogenen Manahmen. Diese richten sich, wie hier gezeigt worden ist, vor allem auch auf die Abschpfung des von den organisierten kriminellen erzielten Gewinns. Da die Suche nach dafr adequaten rechtlichen Lsungen noch nicht abgeschlossen ist, kann vorausgesetzt werlen.
З.Ламмих
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